Der Bruch mit den Dingen, die sind
Von Peter Iden, FR 16.3.2002
Der Dichter Andre Breton, zurückgreifend auf einen Begriff, den Apollinaire für ein Theaterstück verwendet hatte, verfasst das Erste Manifest des Surrealismus und definiert die neue Richtung: „Was ist Surrealismus? Reiner psychischer Automatismus, durch welchen man, sei es mündlich, sei es schriftlich, sei es auf jede andere Weise, den wirklichen Ablauf des Denkens ausdrücken kann. Denk-Diktat ohne jede Vernunft-Kontrolle und außerhalb aller ästhetischen oder ethischen Fragestellungen."
Postuliert wird der Glaube „an die höhere Wirklichkeit gewisser, bis heute vernachlässigter Assoziationsformen, an die Allgewalt des Traums, an das absichtsfreie Spiel des Gedankens".
Das Vorspiel zum Tagtraum des Surrealismus von einer anderen Wirklichkeit als der, die wir kennen, hatten die provozierenden Maskeraden der DADAisten geliefert. Hans Arp (in Die Nabelflasche) erinnerte sich: „Der DADAist ließ den Bürger Wirrwarr und fernes, jedoch gewaltiges Beben verspüren, so dass seine Glocken zu summen begannen, seine Kassenschränke die Stirne runzelten und seine Ehren fleckig anliefen.....
Breton denkt sich das zunächst als ein Programm vor allem für die Literatur. Die Forderungen erweisen sich aber bald auch als tragfähig für die Malerei. Zwei Hauptwege eröffnen sich ihr: der Automatismus sich unkontrolliert verströmender Bewusstseinsgehalte, der die Verknüpfung von allem mit allem erlaubt; und die illusionäre Fixierung von Traumbildern, im Gegensatz allerdings zu deren Bedeutung für die Seelenkunde Sigmund Freuds, dem das Traumbild für sich genommen als beiläufig galt, erst die assoziative Besetzung durch den Träumenden konnte es für Freud, anders als für die Surrealisten, aufschlussreich werden lassen.
Automatismus und Traumbild als Verfahren der Bildgewinnung und als der Stoff der Bilder - das war das Neue.